
ASCO 2025: Kurzeinblick in Krebstherapien von morgen gefällig?
Auch dieses Mal standen beim jährlichen Onkologie-Fachkongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im sonnigen Chicago neuartige Wirkmechanismen von Medikamenten im Mittelpunkt. Dr. Terence McManus, Portfoliomanager von Bellevue Asset Management, hat dieses grösste medizinische Symposium des Jahres besucht und mit Ärzten über neue Innovationen in der Krebsbehandlung gesprochen. Folgende drei neue Technologien erregten in den letzten Tagen besondere Aufmerksamkeit:
- Erstens bispezifische Antikörper, die mit 2 verschiedenen Bindungsstellen Tumorzellen bekämpfen und im Hinblick auf die Bandbreite der Zielstrukturen wahrhaft explodiert sind.
- Zweitens präsentierte sich auf der Konferenz auch die Kategorie der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC), als weiterer Wirkmechanismus mit einem deutlich breiteren Einsatzspektrum. ADCs nutzen Antikörper, um den Chemotherapie-Wirkstoff direkt an Tumorzellen abzugeben. Zahlreiche neuartige Zielstrukturen für ADCs wurden an der Konferenz präsentiert.
- Darüber hinaus hält künstliche Intelligenz (KI) im Bereich Onkologie Einzug in die klinische Praxis, sowohl bei der Diagnose als auch bei der Wahl der Behandlung.
Kontinuierliche Innovationen spielen im Biopharmasektor eine wichtige Rolle, um wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen, die Behandlung von Patienten zu verbessern und Produktpalette aufzufrischen, damit trotz der Patentabläufe bei Blockbuster-Medikamenten Wachstum generiert wird. Dies war auf dem diesjährigen ASCO-Kongress sehr deutlich zu beobachten. Innovationstreiber sind die derzeitigen Branchen-Schwergewichte und junge Biotechnologie-Akteure aus aller Welt.
Die auf dem Fachkongress gewonnenen Erkenntnisse haben unsere Überzeugung von einigen Portfoliopositionen gestärkt. Vor dem Hintergrund der Unsicherheit über US-Gesundheitsreformen und angesichts von (in unseren Augen) rekordverdächtig hohen Angstbarometern sind die Bewertungen von Biopharmatiteln auf historische Tiefstände gesackt. Sieht man von den politischen Unwägbarkeiten ab, untermauern Innovationen wie die auf der ASCO den soliden langfristigen Ausblick für den Sektor.
Werden Blockbuster-Medikamente wie Keytruda von bispezifischen Antikörper entthront?
In den vergangenen Tagen haben wir bei zahlreichen Tumorarten Updates zu einer neuen Klasse von Medikamenten – sogenannte VEGF-PD1-bispezifische monoklonale Antikörper – erhalten, die zwei zuvor validierte Ziele kombinieren.
Für die VEGF-PD1-bispezifischen monoklonalen Antikörper von Pfizer (über die Lizenzvereinbarung mit 3SBio), BioNTech (durch die Übernahme von Biotheus) und Summit/Akeso wurden beeindruckende Daten veröffentlicht. In den vergangenen 10 Jahren spielten PD-1-Antikörper wie Keytruda (Merck & Co) eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Immunonkologie (bei der das körpereigene Immunsystem genutzt wird, um Krebszellen zu töten). VEGF-Antikörper wie Avastin von Roche werden seit noch längerer Zeit eingesetzt. Sie hemmen die Bildung neuer Blutgefässe im Tumor. Die gleichzeitige Verabreichung beider Medikamente hat vielen Patienten bisher nicht wirklich geholfen. Das scheint sich aber mit der Kombination in einem einzigen Arzneimittel nun zu ändern. Ärzte auf der ASCO erklärten uns, sie seien von den bisher gemeldeten progressionsfreien Überlebensraten bei einigen dieser bispezifischen Präparate beeindruckt. Um den Anschluss nicht zu verlieren, gab Bristol Myers am Montagmorgen eine Partnerschaft mit BioNTech bekannt (nach einer Vorabzahlung von USD 1.5 Mrd. wird Bristol bis 2028 jährlich ungebundene Zahlungen in Höhe von USD 2 Mrd. und bis zu USD 7.6 Mrd. an Meilensteinzahlungen leisten).
Für eine abschliessende Einschätzung ist es noch deutlich zu früh und wir warten auf reife Daten zum Gesamtüberleben (erste Daten zur Gesamtüberlebensrate bei einem Medikament waren enttäuschend). Dennoch halten wir es durchaus für möglich, dass der PD-1-Inhibitor Keytruda (mit einem Jahresumsatz von USD 29 Mrd. im Jahr 2024) bei einigen Tumorarten abgelöst wird. Merck & Co forscht auch an bispezifischen Antikörpern, aber in einer erheblich früheren Phase und hat für USD 3 Mrd. die Rechte an einem Krebswirkstoff von LaNova erworben.
Neben VEGF wurden auf der Konferenz auch andere bispezifische Ansätze vorgestellt, die PD-1-Hemmer enthalten, darunter PD-1/IL-2 Alpha von Innovent und PD-1/TGF-Beta von Sino Biopharma.
Abgesehen von den spannenden neuen Wirkmechanismen fällt bei diesen Entwicklungsprogrammen auf, wie viele chinesische Unternehmen in der onkologischen Spitzenforschung mitmischen, darunter 3SBio, Biotheus, Akeso, LaNova, Innovent und Sino Biopharma.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate sind wie Lenkflugkörper und töten zielgerichtet Krebszellen
Eine weitere Medikamentenklasse, die seit einigen Jahren deutlich auf dem Vormarsch ist, sind Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). ADCs nutzen Antikörper, um den Chemotherapie-Wirkstoff direkt an Tumorzellen abzugeben. Ähnlich wie bei einem Lenkflugkörper, der von einer Rakete angetrieben wird und dessen Gefechtskopf am Ziel seine Wirkung entfaltet. Auf dem Kongress gab es unter anderem Updates zu ADCs gegen TROP2-, IB, PD-L1- und B7H3 von Merck & Co (TROP2), AstraZeneca/ Daiichi Sankyo (TROP2), Gilead (TROP2), Pfizer (IB-, PD-L1) und BioNtech (B7H3).
So stiess zum Beispiel Trodelvy, das TROP-2-ADC von Gilead, bei Ärzten auf dem Kongress auf positives Echo. Die ASCENT-04-Studie zeigte in Kombination mit Keytruda als Erstlinientherapie bei PD-L1-positiven Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs (TNBC) überzeugende Vorteile. TNBC ist eine besonders schwierig zu behandelnde Tumorart.
Daneben beeindruckte uns das Prostatakrebs-Medikament BNT324 von BioNTech (das spezifisch auf das Eiweiss B7-H3 abzielt) und in einer Frühphasenstudie eine hohe Wirksamkeit bewies.
KI auf einem Onkologie-Kongress
Mehrere Präsentationen unterstrichen die wachsende Bedeutung von KI in der Krebstherapie. AstraZeneca setzt auf KI-gestützte Pathologie (so genanntes «quantitative continuous scoring, QCS»), um Patienten mit dem speziellen Tumormarker TROP-2 zu identifizieren. Auf der Konferenz vorgestellte retrospektive Daten zeigen, dass sich mit dieser Methode eine spezifische Untergruppe von Patienten identifizieren lässt und die Patientenergebnisse potenziell verbessert werden können. Allerdings ist die Methode recht umständlich und würde Änderungen der derzeitigen klinischen Abläufe erfordern. Daher steht die Einschätzung dieses Biomarkers noch aus und wir warten auf zukünftige Daten.